Der Bund und die Länder nehmen Geld aus Steuern, sonstigen Einnahmen (Gebühren, Knöllchen, etc.) und Krediten ein und verteilen diese wieder gemäß ihrer politischen Vorstellungen und im Rahmen der dafür vorgesehenen Gesetze.
Im Falle der Stadtbahn Kiel gilt das Gesetz über Finanzhilfen des Bundes zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden (Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz GVFG). Nach §3 muss die Stadtbahn „dringend erforderlich“, und „unter Beachtung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit geplant“ sein.
Bei Wikipedia ist über die Höhe der Förderung zu lesen, dass Kiel davon ausgeht, dass „bis zu 75 Prozent durch den Bund sowie weitere 15 Prozent durch das Land finanziert würden“. Gefördert werden aber nur bestimmte Ausgaben, vornehmlich die Herstellung der Trasse und der damit verbundenen Infrastruktur, wie die Verlegung unterirdischer Leitungen. Absolut nicht förderfähig sind die Betriebshofstrecke, der Betriebshof selber, die Bahnen selber, städtebauliche Aufwertungen.
Die Gutachter haben ausgerechnet, dass Kiel 463 Mio. bzw. 47% der insgesamt 984 Mil.€ Kosten für die Stadtbahn aus eigener Tasche bezahlen müsste (Ramboll, 2022b, S.26). Das heißt im Klartext: Die Förderung beträgt nicht 90% sondern maximal 53%!
Dazu kommen allerdings noch die jährlichen Kapital- und Unterhaltungskosten, welche Kiel zusätzlich zu 100% zahlen muss. Diese schätzen die Gutachter auf 14,2 Mio.€ pro Jahr (Ramboll. 2022a, S.40).
Zu den obigen Aussagen ist anzumerken:
- Alle Kostenschätzungen sind vor der Grundsatzentscheidung der Ratsversammlung vom Oktober 2022 getroffen worden und beruhen auf der unrealistischen Verdoppelung der Fahrgastzahlen nach Einführung der Stadtbahn.
- Zu den ‚Einmalkosten’:
- Von den bisher angegebenen 982 Mio.€ Gesamtkosten müsste Kiel 463 Mio.€ auf jeden Fall aus eigener Tasche zahlen. Die Schulden Kiels würden von jetzt 550 Mio.€ auf über 1 Mrd. € steigen.
- Die Kosten von 984 Mio.€ werden sich jedoch mehr als verdoppeln, weil noch nicht berücksichtigt wurde (siehe Antworten der Ratsversammlung auf die GrueKoS-Fragen).
- 300 Mio.€ Inflation von über 30% seit 2016,
- 305 Mio. € gesamtwirtschaftliche Kosten für den CO2-Ausstoß beim Trassenbau (siehe Anfrage Ratsversammlung GrueKoS)
- 600 Mio.€ die laut Tiefbauamt für Verlegung unterirdischer Leitungen auftreten könnten (Bendix, M., 2024, S.39),
- Weitere, noch nicht bezifferte Kosten durch
- Grunderwerb
- höherem Fahrzeug- und Personalbedarf aufgrund einer um 3,5 km/h geringeren Durchschnittsgeschwindigkeit
- Ersatz von geschätzt mehreren tausend gefällten Bäumen
- Zu den jährlich anfallenden Kosten:
- Die Schätzung von Ramboll von jährlich 14 Mio.€ (Ramboll, 2022a, S.39) wird gemäß Verfahrensanweisung korrekt sein, wir haben die Rechnung aber nicht gesehen und kommen zu anderen Ergebnissen:
- 47 Mio.€ realer Kapitaldienst:Die 1 Mrd.€ zahlen die Deutschen über Steuerausgaben oder Gebühren etc. oder der Staat nimmt dafür am Kapitalmarkt Kredite auf, z.B. in Form von Staatsanleihen, für die aktuell 2,5% Zinsen bezahlt werden müssen. Bei einer Laufzeit von 30 Jahren müsste der Staat nach Annuitätenformel pro Jahr 47 Mio.€ für diesen Kredit bezahlen.
- 6 Mio.€ Folgekosten aus dem Betrieb der Stadtbahn inkl. Betriebshof, Unterhalt der Gleis- und Weichenanlagen, der Fahrleitungen und aus dem geänderten Busnetz. Für die nur knapp 13 km lange Stadtbahn in Regensburg mit weniger Fahrzeugen und Personal waren das laut Anfangsgutachten 6 Mio.€ jährlich. In Kiel, mit über 30 km Trasse, dürfte der Betrag also eher bei 15 Mio.€ liegen.
- All diese Kosten beruhen auf einer Laufzeit von 7 Jahren. Das Tiefbauamt befürchtet jedoch aufgrund der Verlegung unterirdischer Leitungen beim Trassenbau eine Verlängerung der Bauzeit um 10 Jahre (Bendix, M., 2024, S.39)
Fazit und Ausblick:
Nein, Bund und Land Schleswig-Holstein schenken Kiel nicht 90% der Kaufsumme. Die Fördergelder kommen aus Steuern aller Steuerzahler und aus Krediten, die zurückbezahlt werden müssen. Kiel bleibt auf jeden Fall auf mindestens 463 Mio.€ sitzen. Allerdings wird die Stadtbahn mit hoher Sicherheit über 2 Mrd. kosten, was den Kieler Anteil wohl auch verdoppeln wird. Dazu wird die Bahn pro Jahr 55 Mio.€ an Kapitaldienst und Folgekosten für den Haushalt bedeuten. Eine befürchtete Verlängerung der Bauzeit von geplant 7 auf 17 Jahre wird weitere Kostensteigerungen sicherstellen.
Ob die Stadtbahn dringend erforderlich und sparsam geplant ist, wird zur Not auf dem Rechtsweg entschieden werden. Wir bitten daher alle Juristen, die gegen die Stadtbahn sind, GrueKoS darin zu unterstützen, bei einer Fördergeldzusage ggfs. rechtlich gegen die Stadtbahn vorzugehen (gruekos@gmail.com).
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Kommentare
- Hier geht es nicht allein um den Bau einer Straßenbahn, Ziel ist eine neue Verteilung des Verkehrsaufkommens. Diese ist mit einem Bussystem allein nicht erreichbar. Beispiele im Ausland über die Erfolge neuer Bahnbetriebe gibt es in großer Zahl.
- Die Inflationsraten können nicht als Gegenargument zum Bau herhalten, alles Andere ist seit 2022 ebenfalls teurer geworden.
Natürlich sind für den Neubau erst einmal größere Beträge erforderlich, dafür wurde in den Nahverkehr in Kiel in den vergangenen Jahrzehnten eher gering investiert. Bei Kosten für Straßenprojekte wird kaum je über zu hohe Kosten debattiert.
- Glaubt man ernsthaft, dass ein verstärkter Busverkehr keine hohen Kosten verursachen wird? Die Analgekosten eines Schienenverkehrsmittel sind tatsächlich erstmal vergleichsweise hoch. Dafür liegen dessen Betriebskosten bei einer erhöhten Fahrgastzahl entscheidend niedriger.
- Für die Foörderfähigkeit wird hier der schlechteste Fall angenommen, bis 90% sind unter Betrachtung von zusätzlichen Aspekten jedoch durchaus möglich.
Vielen Dank für Ihren Kommentar, Herr Weiß,
gerne gehen wir auf Ihre Punkte ein.
- Das Stadtbahnprojekt wurde nach verschiedenen Studien der Stadt gestartet, um Kiel bis 2050 klimaneutral zu machen. Unsere Argumente dazu können Sie unter „Klimaneutralität“ nachlesen.
- Die Trassenstudie hat ein alternatives Bussystem erarbeitet, das die erwarteten maximalen zusätzlichen 32.000 Fahrgäste problemlos aufnehmen kann. Lesen Sie mehr dazu unter „EBusse als Alternative“.
- Beispiele von Bahnbetrieben, die die politisch geforderte Verdoppelung der Fahrgastzahlen erreicht hätten, konnte die Stadt trotz mehrfacher Nachfrage nicht vorlegen. Dies können Sie unter „Fahrgastprognosen“ nachlesen.
- Ihren Punkt mit der Inflation können wir nicht nachvollziehen. Die Stadt Kiel muss den Lieferanten doch die heutigen Preise bezahlen, oder?
- Damit die Stadtbahn funktioniert (sie zieht ja nur Fahrgäste an, die maximal 300 m zur Haltestelle laufen müssen), müssen parallel 15 neue Buslinien eingerichtet werden. So steht es in der Trassenstudie. Auf die Stadt Kiel kommen also weitere hohe Betriebskosten für den notwendigerweise erweiterten Busbetrieb plus dann noch die Betriebskosten für den weitgehend getrennten Bahnbetrieb zu.
- Die neuesten Zahlen für die erste Betriebsstufe weisen offiziell bereits eine Kostensteigerung von 63% aus (jetzt 564 Mio. € gegenüber 347 Mio. €, wie ursprünglich in der Trassenstudie geplant). Auf 46% davon bleibt die Stadt sitzen, wenn man Dr. Kämpfer glauben darf. Die volkswirtschaftlichen Kosten von 300 Mio.€ für den CO2-Ausstoß beim Trassenbau sind in der Rechnung nicht berücksichtigt. Zur Bauzeit: Für die erste Strecke sind jetzt 7 Jahre veranschlagt, so viel wie bisher für alle 4 Strecken zusammen. Eine Verdoppelung der Kosten und der Bauzeit wird also nach den neuesten offiziellen Zahlen deutlich wahrscheinlicher.
- Das Wichtigste zum Schluss: Entlang der Strecke soll die Kapazität des ÖPNV verdreifacht werden. Die der Busse soll um 50% steigen (heute 29 Linien, dann zusätzlich 15 Linien). Dabei liegt die Überlastung des Kieler ÖPNV heute bei maximal 2 % - wie von der Stadt bestätigt -, und die Bevölkerung entlang der Trasse bleibt nach den neuesten Kieler Zahlen relativ konstant. Wie passt das zusammen?
Mit Freundlichen Grüßen
GrueKoS
Schulden kann man auch Investionen nennen. Entscheidend ist der Nutzen. Schon jetzt gibt es viel zu wenige Busfahrerinnen und Busfahrer, um den ÖPNV in Kiel auszubauen.
Eine Straßenbahn kann mit weniger Personal und Energieaufwand mehr Menschen transportieren. Klar muss man die Strecke bauen und die Fahrzeuge anschaffen. Aber Kiel erhält für die Kosten nicht nur effizienteren ÖPNV, energetisch wie personaltechnisch, sondern auch 30km neue Straßenzüge/Rohre/etc..
Insofern erscheint mir Ihr Fokus auf die Kosten etwas einseitig, da Sie keine Alternative nennen können. Laut der Trassenstudie wäre ein Schnellbusssystem ähnlich teuer in der Umsetzung wie eine Straßenbahn, im Betrieb aber teurer und durch Personalmangel und demografischen Wandel quasi nicht umsetzbar.
Wenn man wirklich möchte, dass der Verkehr in Kiel flüssiger und nachhaltiger wird und einem die Lebensgrundlage der eigenen Kinder am Herzen liegt, sollte man etwas offener für die Auseinandersetzung mit Fakten sein.
Hallo Lea,
vielen Dank für Ihren Kommentar, den wir gerne beantworten möchten.
Die Zahlen für die erste Inbetriebnahmestufe (IBS1) bis 2035 sind nun offiziell:
1. Die Überlastung der Busse liegt auch in der Hauptverkehrszeit unter der Woche auf dieser meistbefahrenen Strecke bei 0% (in der Grundlagenstudie 2019 waren es noch 1,3%).
2. Bis dahin fahren auch alle Busse mit erneuerbarer Energie und brauchen keine umweltschädlich gebaute Trasse mit hohem CO2-Ausstoß. Wo sehen Sie den Vorteil einer Stadtbahn, von 15 Jahren Bauchaos, von einer Verdoppelung der Kieler Schulden?
Zum Fahrpersonal sollten Sie die Trassenstudie Anlage 3 AP E.123 Busnetz im Mitfall lesen. Diese können Sie einfach googeln, Sie werden lesen, dass die Stadtbahn nur funktioniert, wenn das Busnetz GLEICHZEITIG um 50% erweitert wird (also 15 neue Buslinien). 2023 hat die KVAG 644 Busfahrer. Mit der Stadtbahn kommen also 322 dazu. Dann müssen Sie natürlich noch die Fahrer für die Bahn selbst, deren Betriebshof und deren separate Organisationsstruktur rechnen. Glauben Sie uns bitte nicht, lesen Sie selbst.
Die Finanzierung ist - wie Sie auf dieser Internetseite sehen können - für uns nur ein Nebenaspekt. An erster Stelle stehen der Klimaschutz und die Auswirkungen auf uns Bürgerinnen und Bürger. Die Alternative, die wir propagieren, haben wir uns nicht ausgedacht, sondern sie steht in der Trassenstudie E.123.2 Busnetz ohne HÖV. Diese Lösung der Gutachter kommt ohne Umweltschäden, ohne Chaos und mit deutlich weniger Personal aus. Wir unterstützen sie, bis die bereits vielfach erfolgreich erprobten fahrerlosen Systeme in Deutschland zugelassen werden.
Wir freuen uns auf Ihre Antwort zu unseren Fakten.
Mit freundlichen Grüßen GrueKoS
Also wenn man vierspurige Betonstraßen aufreißt und zwei Spuren durch Rasengleise ersetzt, würde ich das nicht als Umweltschäden bezeichnen. Im Gegenteil, dadurch entstehen Versickerungsflächen und kühlende Elemente im Straßenraum, wie wir dringend brauchen. Das geht mit Busspuren nicht.
Bei den Fahrer:innen vergleichen Sie Äpfel mit Tomaten. Auf einer Linie kann man mit Straßenbahnen natürlich mit gleicher Personalstärke viel mehr Fahrgäste befördern. Bzw. mit der derzeitigen Zahl an Fahrer:innen genauso viele Fahrgäste wie bisher, einfach, weil eine Straßenbahn mehr Leute fasst als ein Bus. Wenn man das Busnetzt zusätzlich zur Tram ausbauen will, umso besser: Mehr Verbindungen für alle abseits der Gleise.
Und fahren Sie täglich Bus? Ich weiß nicht, wo Sie ihre dubiosen Prozentzahlen hernehmen, aber die Auslastung der Kieler Busse auf der Linie der IBS ist im Berufsverkehr wirklich sehr hoch. Und selbst am Sonntagabend hoch. Wenn Sie sich auf die Maximalauslastung der Bushersteller beziehen: Die sind völlig absurd.
Ich habe den Eindruck, Sie haben eine persönliche Abneigung gegen das Verkehrsmittel Straßenbahn, die Sie hinter Ausflüchten verstecken.
Hallo Lea, vielen Dank für Ihre zahlreichen Kommentare. Auch hier bringen Sie wieder wichtige Einwände, auf die wir gerne eingehen.
1. Rasengleise sind deutlich umweltfreundlicher als Schotter- oder Betongleise. Daran ändert auch der intensive Pflegeaufwand nichts. Leider sind bei der Stadtbahn Kiel nicht viele km als Rasengleis planbar. Bei den Umweltbelastungen durch den Trassenbau verweisen wir auf die laut BUND 324.000 Tonnen CO2-Emissionen und die ca. 1.100 Bäume, die dem Rasengleis zum Opfer fallen werden. Leider schweigt sich die Stadt Kiel beharrlich über die genaue Anzahl der gefällten Bäume aus. Hinzu kommt, dass die Bahn 26% mehr Energie verbraucht als der Bus und 26% mehr CO2 ausstößt als der Bus. Wenn Sie uns nicht glauben, schauen Sie auf Seite 45 des Berichts der Inbetriebnahmestufe 1 (unter „Quellen“ als pdf für Sie bereitgestellt).
2. Wenn Sie den Bericht schon aufgeschlagen haben, blättern Sie bitte zu S.44. Dort sehen Sie, dass sich die Fahrzeugzahlen zwischen Bus (Ohnefall) und Bahn (Mitfall) in der Summe nicht unterscheiden, auf S.46 können Sie dann ausrechnen, dass die Personalkosten der Bahn um 12% höher sind als die der Busse. Abschließend öffnen Sie bitte Blatt 4-4 im Anhang: Die Personenkilometerleistung der Busse ist um 1,5 Mio. Personenkilometer höher als die der Bahn, trotz gleicher Fahrzeugzahl und 12% niedrigerem Personalaufwand. Begründet wird dies damit, dass die Fahrgäste bei der Bahn häufiger umsteigen müssen als bei den direkten Busverbindungen.
3. Zu unseren persönlichen Busfahrten haben wir uns bereits in einer Stellungnahme zu einem anderen Ihrer Kommentare geäußert und hoffen, Ihre Bedenken damit ausgeräumt zu haben.
4. 4. Unsere Prozentzahlen entnehmen wir den öffentlich zugänglichen Berichten der Stadt Kiel. Diese sind unter den jeweiligen Beiträgen aufgelistet und können unter „Quellen“ eingesehen werden. Sollten Sie eine nicht finden, helfen wir Ihnen gerne weiter.
5. Die Auslastungen der IBS1 können Sie dem oben erwähnten Bericht entnehmen. Dort steht zu den Bussen auf S.29 „Alle Querschnitte weisen die maximal geforderte Auslastung von unter 65 % zur Spitzenstunde auf“. Den genauen Platzausnutzungsgrad pro Streckenabschnitt können Sie Blatt 3-5 im Anhang des Berichts entnehmen. Mitteln Sie alls Platzausnutzungsgrade, dann kommen Sie auf 47%.
Wir hoffen, dass Sie nach Prüfung aller Daten besser nachvollziehen können, warum wir die Buslösung (Ohnefall) gegenüber der Bahn (Mitfall) bevorzugen. Noch besser fänden wir es, wenn wir zu einem Umdenken Ihrerseits beitragen konnten.
Mit freundlichen Grüßen
GrueKoS