Wir unterstützen ausdrücklich das Ziel der Stadt Kiel, bis 2050 klimaneutral zu werden.
Wie im Anhang zu unserem offenen Brief formuliert waren bei der Entscheidung des Stadtrats für die Stadtbahn Ende 2022 viele positive Gesetze und Entwicklungen noch nicht bekannt, z.B.:
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- Die Anzahl der eAutos soll sich bis 2030 verzehnfachen
- Kiel will die Ladeinfrastruktur für eAutos in Kiel deutlich ausbauen
- Ab 2035 dürfen in der EU nur noch klimaneutrale Autos zugelassen werden
- Die Kieler KVG plant bis 2030 100% mit alternativen Antrieben unterwegs zu sein
- 2024 stammte 63% des deutschen Strommixes aus erneuerbaren Quellen
Solange der erste Spatenstich nicht getan ist, sollten solche neue Informationen in das Projekt einfliessen.
Alleine der EU-Beschluß, ab 2035 nur noch Fahrzeuge mit klimaneutralen Antrieben zuzulassen, ist für die Revision der Stadtbahn von entscheidender Bedeutung. Denn moderne Autos halten etwa 15 Jahre. Das bedeutet, das 2050 überwiegend nur noch klimaneutrale Autos in Europa fahren werden. Wenn nun beinahe alle Autos bis 2050 klimaneutral unterwegs sind, dann fällt das Hauptargument für die Stadtbahn 100% weg.
Dagegen hören wir häufig das Argument, dass eine 54m lange Stadtbahn weniger Energie verbraucht, als wenn die Passagiere alle mit eAutos unterwegs wären. Abgesehen davon, dass die Stadtbahn nicht mit e-Autos, sondern mit e-Bussen verglichen werden müsste ist dieses Argument zwar grundsätzlich richtig, aber greift gerade für Schleswig-Holstein nicht. Wir stellen in hier nämlich schon seit 2016 mehr Energie aus erneuerbaren Quellen her als wir verbrauchen. In Gesamtdeutschland kam 2024 sogar schon 63% des Strommixes aus erneuerbaren Quellen. Bis 2050 dürfte wohl unser gesamter Energiebedarf aus erneuerbaren Quellen stammen. Klimaneutralität erreichen man also, egal ob nun eine Stadtbahn oder 100 eAutos oder 20 eBusse mit erneuerbarer Energie fahren,
Zusammengefasst: Klimaneutralität als Hauptgrund für die Stadtbahn ist schon heute weggefallen. Kiel braucht die Stadtbahn nicht, um bis 2050 klimaneutral zu werden.
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Kommentare
Auf ein anderes Feld übertragen, läuft ihre Argumentation auf folgendes hinaus: die Bundesregierung möchte Wärmepumpen fördern, deswegen brauchen wir unsere Häuser nicht mehr dämmen.
Energie und Geld werden knappe Güter bleiben.
Deswegen war und ist die Senkung des Energieverbrauchs der erste Schritt bei Wärme- und Mobilitätswende! Das steht so in dem von ihnen zitierten Masterplan Klimaschutz der Stadt Kiel genauso wie im Klimaschutzplan der Bundesregierung. Ein Beispiel: 2020 hat noch die alte Bundesregierung die Mittel für die Straßenbahnförderung mehr als versechsfacht. Im Klimaschutzprogramm 2023 steht ausdrücklich: der Antriebswechsel ist EINE Maßnahme. Auch das Deutschlandticket übersehen sie in ihrer Aufzählung, mit die Menschen zu einem Umstieg auf die Öffentlichen überzeugt werden sollen. Warum sollte der Bund sonst soviel Geld dort reinstecken?
Sie nennen den Grund ja selber: eine Stadtbahn (in Kiel wird übrigens mit 54 m geplant), braucht weniger Energie pro Passagier als E-Bus und E-Auto. Und die Einsparung von Primärenergie ist der erste Schritt zur Klimawende.
Denn nur so werden wir uns diese Transformation leisten können.
Ihr Argument, wir hätten in SH ohnehin genug Energie über, um sie verschwenden zu können, zeigt eine gewisse Naivität von der Tragweite der Klimawende. So geht der Bundesverband der Chemieindustrie davon aus, dass die Chemieindustrie 2050 jährlich 700 Terawattstunden elektrische Energie zusätzlich benötigen wird, vor allem für die Elektrolyse von Prozessgasen. Der gesamte jährliche Stromverbrauch lag 2023 bei 525 Terawattstunden. Dazu kommen Luftfahrt, Stahlindustrie, Wärmepumpen, Betonfertigung..
Insofern sind Ihre Informationen nicht "neu", sondern Sie sind gleich einer ganzen Reihe von Missverständnis erlegen.
Es wäre gut, wenn Sie ihre Fehler insoweit korrigieren, da Sie den Eindruck erwecken, hier wären Aspekte nicht berücksichtigt worden.
Sie blenden zudem komplett aus, dass der Klimaaspekt EIN Argument für die Stadtbahn ist. So steht es auch im Abschlussbericht der Trassenstudie! Wichtige ökonomische Argumente: eine Verlagerung von Wegen auf den ÖPNV ist auch mit geringeren Unfallzahlen, weniger Lärm und geringeren Kosten für den Einzelnen verbunden! So liegen laut Statista die Haltekosten für einen Pkw bei im Schnitt 233 Euro – vergleichen Sie das mal mit einem D-Ticket. Dass guter ÖPNV mehr Menschen zur Nutzung bewegt, zeigen mit Kiel vergleichbare Städte wie Erfurt, Freiburg oder Saarbrücken, die 70-80 % mehr ÖPNV-Anteil haben. All das sind Aspekte, die einen volkswirtschaftlichen Wert haben, die im Fall der Kieler Stadtbahn die Kosten deutlich überwiegen, wie bereits die Trassenstudie gezeigt hat. Ganz davon zu schweigen, dass jeder 10. Deutsche schwerbehindert ist, aber auch Kinder und alte Menschen für eine Teilhabe am öffentlichen Leben auf einen guten ÖPNV angewiesen ist. Denen ist mit einem E-Auto nicht geholfen.
Sehr geehrter Herr Niemeyer,
Es freut uns, dass Sie als Vorsitzender der Tram für Kiel e.V. zu uns gefunden haben. Danke für Ihren ausführlichen Kommentar, den wir gerne beantworten. Gerne können wir uns auch einmal persönlich kennenlernen und dieses wichtige Projekt besprechen.
Zunächst einmal möchte wir Ihnen versichern, dass wir das gleiche Ziel haben. Denn angesichts des Klimawandels bleibt uns überhaupt keine Wahl - Kiel muss einen modernen, klimaneutralen ÖPNV bekommen.
Auch geben wir nur das selbst gesteckte Kernziel der Stadt Kiel für die Stadtbahn wieder: Die Anzahl der Fahrgäste im ÖPNV soll sich verdoppeln. In gleichem Maße soll der Anteil des „Motorisierten Individualverkehrs“ (MIV) sich reduzieren. So soll Kiel bis 2050 klimaneutral werden.
1 Ein klimaneutraler ÖPNV geht auch ohne Stadtbahn
Die Ratsversammlung ist bei ihrer Entscheidung für die Stadtbahn 2019 von einem überwiegend fossil basierten MIV ausgegangen. Tatsächlich wird der bis 2050 aber fast ausschließlich elektrisch sein. Alle Busse des KVAG sind dann schon lange auf hybride Antriebe umgestellt. Und angesichts des raschen Ausbaus an erneuerbaren Energiequellen, sollte auch der Großteil unserer Energie dann aus erneuerbaren Quellen stammen.
Das bedeutet, Kiel wird auch ohne die Stadtbahn einen klimaneutralen ÖPNV realisieren können, nur mit viel weniger Mitteln. Diese können Sie dann in weitere Projekte zur CO2 Reduktion investieren, z.B. Solardächer auf allen öffentlichen Gebäuden, ausreichend Ladesäulen für e-Fahrzeuge in der Innenstadt, Ausweitung des Fernwärmenetzes, autonom fahrende Busse on Randgebieten als Ergänzung des ÖPNV-Netzes und vieles mehr.
2 Die Stadtbahn führt nicht zu einer Verdopplung der Fahrgastzahlen im Vergleich zu heute
Bisher ist es nirgends zu einer Verdoppelung der Fahrgastzahlen aufgrund der Einführung einer Stadtbahn gekommen. Wir haben die Stabstelle Mobilität der Stadt Kiel nach Beispielen für Städte gefragt – bisher haben wir keine Antwort erhalten. Gegenbeispiele wie Wiesbaden, Hagen oder Lübeck dagegen gibt es. Die Stadtbahn wurde dort aus denselben Gründen abgelehnt, die wir hier anführen.
Gerne können Sie uns Ihre Zahlen aus Erfurt, Freiburg und Saarbrücken schicken. Vermutlich sind das ja die in dieser Hinsicht herausragenden Städte wo sich die Fahrgastzahlen verdoppelten, die Zahl der Verkehrsunfälle verringerten, und die Zahl der Autos im Verhältnis zur Einwohnerzahl gesunken ist. (Tatsächlich liegt Kiel bei der Autoquote unter 50%, während sie dort darüber liegen.)
3 Die Stadtbahn überfordert den Kieler Stadthaushalt
In einer Stadt wie Kiel mit über 500 Mio. € Schulden sollte die höchstens 2%ige Überlastung des ÖPNV so günstig und pragmatisch wie möglich gelöst werden, anstatt die Verschuldung mit noch einmal 1 Mrd Euro zum Kauf einer Stadtbahn für alle deutschen Steuerzahler – denn Fördermittel zahlt z.B. auch der Steuerzahler in Thüringen - mindestens zu verdreifachen.
Diese immense Kapitalbindung, nur für das Stadtbahnprojekt, mit den zu erwartenden höheren Zinsen für den Kapitaldienst in Zukunft – beraubt Kiel der finanziellen Spielräume. Wie sollen wir dann auf wichtige Herausforderungen der Zukunft reagieren. Und damit meinen wir nicht, ob der ÖPNV auf Gummireifen oder Schienen klimaneutral fährt, sondern die Bedrohung durch den immer schneller steigenden Meeresspiegel für die Hafenstadt Kiel, Sturmschäden, internationale Krisen die zu starken Preissteigerungen führen und immer mehr negative Ereignisse, die wir heute noch nicht vorhersehen können.
Erlauben Sie uns noch eine Bemerkung zum Schluss: Wir sind parteilos und haben die Initiative nicht gegründet, um irgendeine spezielle politische Partei zu unterstützen. In diesem Sinne – sehen Sie uns bitte nicht als Gegner, sondern als Partner für eine grüne Zukunft, die Kiel sich auch wirklich leisten kann.