Wie würde der Nutzen-Kosten-Faktor der Stadtbahn aussehen, wenn der Ausstoß von Treibhausgasen durch den Bau der Stadtbahn in deren CO2 Bilanz berücksichtigt werden würde?

Veröffentlicht am 3. November 2024 um 19:36

Hintergrund der Frage:

Die Verringerung der Treibhausgase ist das übergeordnete Ziel der Stadt Kiel für den Bau der Stadtbahn und geht als wichtige Komponente in deren Nutzen-Kosten-Faktor Berechnung ein. 

 

Die Bewertung des CO2-Ausstoßes in der Trassenstudie (Ramböll, o.J. S.34) „orientiert sich an der Verschiebung des Modal Splits hin zum Umweltverbund und damit auf Basis des Unterkriteriums verlagerter Pkw-Verkehr.“ Der CO2 Ausstoß beim Bau der Stadtbahn wird an dieser Stelle nicht erwähnt.

 

Wir haben auch sonst in der Trassenstudie keine Hinweise auf einen CO2 Ausstoß beim Bau der Stadtbahn gefunden. Sie sind weder in der Trassenstudie, AP E-150 (Ramboll, 2022, AP E-150) – noch in der Grundlagenstudie 2019 im Kapitel 5.3 Tram und Umwelt (Gertz et.al., 2019 S.204 ff.) zu finden.

 

Laut einer Studie u.a. vom BUND und Bündnis 90 / Die Grünen, Berlin, werden beim Bau eines Kilometers Grüngleis 7.600 Tonnen Treibhausgase emittiert (Ditmer et.al, 2023). Bei einem Kilometer des herkömmlichen Betongleises fallen 10.851 Tonnen an. Im Durchschnitt werden 9.225,5 Tonnen CO2 pro Km ausgestoßen. Das betrifft nur den Bau des Bahnkörpers. Nicht eingerechnet sind Brückenbau, Ertüchtigung weiterer Infrastruktur wie Über- und Unterführungen, Oberleitungen, Betriebshof, Masten, Fahrzeuge, Signalisieren, Haltestellen, Gestaltung der umliegenden Infrastruktur und die Umlegung der unterirdischen Leitungen.

 

Allein durch den Bau der Gleise für die Stadtbahn Kiel werden also mindestens 324.738 Tonnen CO2 ausgestoßen (35,2 Km x 9225,5 Tonnen CO2).

 

Bei einer eBus-Lösung bräuchte Kiel womöglich nur an neuralgischen Punkten eine abgetrennte Fahrbahn und könnte immer auf Betontrassen verzichten. Das wäre deutlich umweltfreundlicher und würde schneller zur Klimaneutralität in Kiel führen.

 

Zusammenfassung: 

Der Nutzen-Kosten-Faktor der Stadtbahn Kiel hat mindestens die Emissionen von 324.738 Tonnen Treibhausgasemissionen nicht berücksichtigt. Die Ratsversammlung wird gebeten, eine Neuberechnung des Nutzen-Kosten-Faktors unter Einschluss aller beim Bau ausgestoßener Treibhausgase vornehmen zu lassen.

 

Quellen: 

Dittmer,M., Geraets,F., Schwipps,A. (2023) Die Klimabilanz Berliner U-Bahn- und Straßenbahnplanungen, Hrsg. BUND e.V., Berliner Fahrgastverband IGEB, LAG Mobilität Bündnis 90 / Die Grünen, Stadt für Menschen

 

Gertz, Gutsche, Rümenapp, Büro Stadtverkehr, 2019, Mobilitätskonzept für einen nachhaltigen Öffentlichen Nah- und Regionalverkehr in Kiel, Grundlagenstudie

 

Ramboll, 9.2022, Dokumentation AP E-150, Umwelt, Natur und Landschaft, Trassenstudie für ein zukunftssicheres ÖPNV-System auf eigener Trasse

 

Ramboll , o.J. Anlage 5.1, Bewertungsansätze über alle Stufen des FAR-Verfahrens, Trassenstudie für ein zukunftssicheres ÖPNV-System auf eigener Trasse

 

 

 

Hier ist die Antwort der Stadt Kiel:

Die Nutzen-Kosten-Untersuchung wird derzeit durch ein beauftragtes Büro nach der aktualisierten Verfahrensanleitung  „Standardisierte Bewertung von Verkehrswegeinvestitionen im öffentlichen Personennahverkehr, Version 2016+“ durchgeführt. In der Version 2016+ werden die CO2-Emissionen berücksichtigt, sodass deren Effekte direkt in die Berechnung des Nutzen-Kosten-Faktors einfließen. Nach Abschluss der Bewertung durch das Fachbüro werden die Ergebnisse spätestens zur politischen Beratung im Frühjahr 2025 vorgestellt.

 

Kommentar GrueKoS:

"Die Errichtung einer Infrastruktur für den schienengebundenen ÖPNV und für Seilbahnen, deren Unter- haltung sowie deren Entsorgung am Ende ihrer Nutzungsdauer ist mit der Emission von Treibhausga- sen verbunden. Diese Emissionen werden im Verfahren berücksichtigt und gehen in die Bewertung der Maßnahme ein" (Bundesministerium für Digitales und Verkehr, 2023, S.142).

 

"Das Umweltbundesamt (⁠UBA⁠) empfiehlt auf Grundlage der Methodenkonvention für im Jahr 2023 emittierte Treibhausgase einen Kostensatz von 250 Euro2023 pro Tonne Kohlendioxid-Äquivalent (t CO2) zu verwenden (1 % Zeitpräferenzrate). Bei einer Gleichgewichtung klimawandelverursachter Wohlfahrtseinbußen heutiger und zukünftiger Generationen (0 % Zeitpräferenzrate) ergibt sich ein Kostensatz von 860 Euro2023 pro Tonne Kohlendioxid. Dabei bezeichnet Euro2023 jeweils die Kaufkraft des Euro im Jahr 2023." Im Jahr 2030 - also dann wenn die Stadtbahn in etwa gebaut wird - liegen die Kostensätze bei 335 € pro Tonne (wenn einem die Wohlfahrt der jetzigen Generation wichtiger als die Wohlfahrt künftiger Generationen ist) bzw. 940€ (wenn einem die heutige und zukünftige Generationen gleich wichtig sind). Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestags empfehlen mit dem höheren Satz von 940€ zu rechnen:

 

324.738 Tonnen CO2 durch den Bau der Stadtbahn x 940 € pro Tonne CO2 = 305.253.720 € die das Umweltbundesamt als Preis empfiehlt, um Umweltkosten zu internalisieren. Hierin sind nur die Umweltkosten des Trassenbaus erfasst. Der CO2 Ausstoß durch die Herstellung der Fahrzeuge und den Betrieb der Stadtbahn kommen noch hinzu.

 

Weiter sagt das Umweltbundesamt: "Umweltkosten sollten grundsätzlich internalisiert – also den Verursachern angelastet – werden. Da dies bisher nur unzureichend geschieht, gibt es keine hinreichenden wirtschaftlichen Anreize, die Umweltbelastung zu senken. Preise ohne vollständige Internalisierung der Umweltkosten sagen nicht die ökologische Wahrheit. Dies verzerrt den Wettbewerb und hemmt die Entwicklung und Marktdiffusion umweltfreundlicher Techniken und Produkte. Die Umweltkosten müssen vor allem in Bereichen die besonders hohe Umweltschäden verursachen, stärker als bisher in Rechnung gestellt werden. Dies würde beispielsweise den Ausbau der erneuerbaren Energien stärker fördern, die Anreize zur Energieeffizienz erhöhen und wesentlich zu einer nachhaltigen Mobilität beitragen."

 

Im Frühjahr sollten also nach Empfehlung des Umweltbundesamts die Umweltkosten der Stadtbahn durch den Trassenbau von 305 Mio € internalisiert werden bzw. in die Nutzen-Kosten Kalkulation der Stadtbahn eingehen. 

 

Quellen:

Bundesministerium für Digitales und Verkehr, 2023, Standardisierte Bewertung von Verkehrswegeinvestitionen im öffentlichen Personennahverkehr, Version 2016+, Verfahrensanleitung, erstellt durch die Arbeitsgemeinschaft Intraplan Consult GmbH / Verkehrswissenschaftliches Institut Stuttgart GmbH

 

Deutscher Bundestag, 2019, CO2-Emissionen im Verkehr, Wissenschaftliche4 Deinste WD 8 - 3000 - 056/19

 

Umweltbundesamt, o.J.  https://www.umweltbundesamt.de/daten/umwelt-wirtschaft/gesellschaftliche-kosten-von-umweltbelastungen#methodik-zur-schatzung-von-klimakosten-, zuletzt abgerufen am 29.11.2024

Kommentar hinzufügen

Kommentare

Es gibt noch keine Kommentare.